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Eine unwahrscheinliche Reise

von Mascha Schädlich, Björn Rzymann, Markus Saborowski

Lizenz: CC BY-SA 4.0

Eine Reise in das utopische Jahr 2242! Roha, Tuxah und die Schrotthändlerin begleiten einen Besucher, der mit der Unwahrscheinlichkeit seines eigenen Auftauchens in der Utopie zu kämpfen hat.

Komm mit uns auf eine Reise in das utopische Jahr 2242!

In unserem Hörspiel reparieren und begleiten Roha, Tuxah und die Schrotthändlerin einen Besucher, der mit der Unwahrscheinlichkeit seines eigenen Auftauchens in der Utopie zu kämpfen hat.

Wie sieht das utopische Jahr 2242 aus? Arbeitet noch irgendwer? Und welche Rolle findet jemand aus der Vergangenheit dort?

Coverbild von Mullana.

Skriptfassung

1. Kapitel – Intro

Erzählerin:

Lass alles liegen. Es ist an der Zeit zu gehen. Und vielleicht verändert zurück zu kommen.

Du fragst dich vielleicht, wie soll man noch von einer schönen Zukunft träumen in dystopischen Zeiten wie diesen? So viele Kriege, unsere Demokratie ist in Gefahr, lauert da schon die nächste Pandemie auf uns? Und wann, ganz im Ernst, wann macht endlich irgendwer mal WIRKLICH was gegen die Klimakatastrophe? Aber was solls, wahrscheinlich kannst du schon heute die nächste Mieterhöhung nicht zahlen, über die Rente denkst du lieber gar nicht erst nach.

Das ist schlimm. Ja, das ist es wirklich. Lasst uns die Angst vor der Zukunft teilen, lasst uns die Traurigkeit über all die Verluste kollektivieren. Aber dann, danach, lasst uns wenigsten versuchen zu träumen. Von einer besseren Welt zu träumen. So schwer es auch ist, in einer Welt wie dieser. Denn wenn wir uns eine bessere Welt nicht vorstellen können, können wir auch nicht um sie kämpfen. Wir müssen wissen was wir wollen, bevor wir es einfordern und aufbauen können. Und so vieles ist schon da. So vieles lebt in den Rissen im Asphalt.Wir müssen diese Ideen gießen und wachsen lassen bis die Wurzeln so stark sind, dass sie den Asphalt sprengen, den Beton überwuchern.

Unsere Träume von einer besseren Welt leben in uns. Vielleicht ist diese bessere Welt, diese Utopie nicht einmal so weit weg. Vielleicht besteht sie aus einem friedlichen und zufriedenen Leben für alle, mit mehr Zeit für unsere Liebsten und in der Natur. Dem Wissen um ein abgesichertes Leben auch im Alter, umgeben von den Menschen, die uns wichtig sind, in einem Zuhause, das schön ist, und in einer intakten Umwelt, die Teil einer Erde ist, auf der alle gut versorgt sind. Einer Welt in der Menschen ohne Angst verschieden sein können.

Das wäre zumindest meine Utopie. Wie sieht deine aus?

Trau dich über diese Frage nachzudenken. In was für einer Welt möchtest du leben? Ohne wenn und aber. Eine utopische Welt, die genauso ist, wie du es dir wünschst. Eine Welt, die du mitgestaltet hast und in der es dir gut geht.

Denk darüber nach, wenn du möchtest, mal sie auf ein großes Stück Papier, singe sie oder schreib sie auf. Und dann bewahre sie dir wie ein Schatz.

Ich möchte dich jetzt mit auf die Reise nehmen in eine utopische Welt. Eine Utopie, die verwoben ist mit vielen anderen gesellschaftlichen Utopien und utopischen Romanen -- vielleicht erkennst du sogar einiges wieder. Nimm dir von ihr mit was dir gefällt, füge deine eigenen Träume hinzu und teile sie mit anderen wenn du möchtest. Ich wünsch dir eine gute Reise!

Schließe die Augen. Nimm wahr, wie du atmest, ohne deinen Atem zu verändern. Nimm wahr, wie sich dein Bauch hebt und senkt bei jedem Ein- und Ausatmen. Atme noch einmal tief ein und aus.

Du begibst dich jetzt auf eine Reise in die Zukunft. Stell dir vor, du kannst dich in die Luft emporschwingen und von dort aus das Geschehen auf der Erde beobachten. Tage, Nächte und Jahre ziehen an dir vorbei bis zum Jahr 2242. Du gleitest vorsichtig zurück auf den Boden und landest ganz sanft zwischen einigen Apfelbäumen. Du siehst eine Person in einem blauen Arbeiter*innenanzug, der an vielen Stellen geflickt ist, verziert wurde mit bunten Aufnähern und mit Figuren aus Knöpfen, überseht mit Taschen. Das ist Roha. Dey hat einige Werkzeuge in der Hand und steht über eine Pumpe gebeugt.

2. Kapitel – Marvin finden

Roha [seufzt und klappert mit Werkzeug und murmelt]: Es ist so heiß. Und es ist erst März... Hier sollten wir auch einen Baum pflanzen, der uns Schatten schenkt. [Wischt sich den Schweiß von der Stirn, klapper klapper]. Wahrscheinlich ist das Einlassventil kaputt. Mist, die werden schon lange nicht mehr produziert. Naja, ich wollte eh noch bei der Schrotthändlerin vorbei schauen und ihr den Edan zeigen. Bestimmt hat sie noch irgendwo Ersatzteile für die Pumpe.

Erzählerin:

Roha packt das Werkzeug zusammen und bringt es in eine Scheune, die voll ist mit sehr vielen sehr unterschiedlichen Maschinen. An einigen sind Solarpanele befestigt, andere scheinen einfach mit der Hand bedienbar zu sein. Ein sehr großes Gerät in der Ecke hat erstaunlich viele Pedale...

Aus einer Ecke zieht Roha die Kiste mit dem Edan. Edan nennen die Menschen die Geräte, deren Funktionsweise und Bedeutung verloren gegangen ist. Es ist Rohas liebster Zeitvertreib mit der Schrotthändlerin und Tuxah zu versuchen, die Geräte wieder zum Laufen zu bringen.

Roha geht durch das Tor der Solidarischen Landwirtschaft für die dey als Mechaniker*in arbeitet und spannt die Kiste auf den Gepäckträger eines Fahrrads, das dey vor dem Tor findet.

Roha radelt ein paar Minuten zwischen den hohen Häusern mit großen Gärten dazwischen. Dey schlängelt sich vorbei an den vielen anderen Radfahrer*innen und Fußgänger*innen. Auf den Bänken unter den Bäumen am Straßenrand plaudern Nachbar*innen während die Kinder mit Kreide auf der Straße malen. Immer wieder grüßen Leute Roha und wollen dey auf eine Limonade einladen, aber Roha fährt lieber weiter. Dey sorgt sich wegen der Pumpe. Es hat schon wochenlang nicht mehr geregnet und die Obstbäume brauchen Wasser. Roha stellt das Fahrrad vor dem offenen Tor zum Schrottplatz ab und betritt das weitläufige Gelände.

Roha [überrascht]: Wo ist denn die Schrotthändlerin? [Quietschen einer Tür].

Meine Güte ist das heiß, erstmal hinsetzen und was trinken. Die Schrotthändlerin wird schon auftauchen... Huch, Kasiopeia! Du bist da -- naja, gut du bist ja eigentlich immer da. Wie alt bist du eigentlich? Wie alt können Landschildkröten werden? Viel älter als Menschen oder? [trinkt Wasser].

Erzählerin:

Das Recycling-Museum liegt im Schatten zwischen den großen Kastanien und blinzelte aus frisch geputzten Fenstern durch die Mittagshitze zu Roha hinüber. Aber die Schrotthändlerin ist nicht aufzufinden. Roha guckt in den Bauwagen, aber im Bett liegt sie nicht und sie steht auch nicht wie sonst so oft über ihren großen Tisch gebeugt, den sie als Schreibtisch und Werkbank gleichermaßen nutzt. Roha geht durch das große Materiallager, wo all die wertvollen Ressourcen ordentlich aufgereiht und beschriftet liegen und bewundert einmal mehr die Ordnungsliebe und Genauigkeit der Schrotthändlerin. Die hatte auf Karten an den Regalen sehr genaue Angaben zu den Materialien gemacht und ein Code verweist auf die Wiki-Seite unter der alles weitere relevante Wissen zur Nutzung des Materials abgelegt ist. Roha schlendert durch das Recycling-Museum, wo alte Maschinen und seltene Rohstoffe ausgestellt werden und die Schrotthändlerin in einem kleinen Seminarraum den Kindern beibringt, Dinge zu reparieren. Die Kinder können mitbringen was sie wollen und dann mit der Schrotthändlerin herausfinden ob sie etwas reparieren oder umnutzen können oder die Einzelteile lieber für etwas anderes einsetzen wollen.

Roha: Okay, also in ihrem Bauwagen ist sie nicht. Auch nicht im Recycling-Museum oder im Materiallager oder in der Werkstatt. [Tür, die zu geht. Schritte auf raschelndem Gras. Andere Tür, die aufgeht].

Sag mal, Kasiopeia, was machst du denn da eigentlich unter der Plane? Was hast du da? Oh, das ist aber schön groß und rund, vielleicht kann ich das als neue Salatschüssel benutzen. Unsere ist mir gestern runtergefallen weißt du -- [schiebt eine Plane beiseite] huch da hängt ja ein Hals dran und da ist ein Arm -- und wow, das ist ein Roboter! Wie kommt der denn hierher!? Was ist das für ein Material, der ist so leicht. Okay, wow ich muss auf jeden Fall Tuxah anrufen und gucken ob wir den wieder zum Laufen kriegen!

[rascheln der Plane, schleifendes Geräusch (Roha zieht Marvin aus dem Schrott Haufen in die Werkstatt auf die Werkbank), Roha stöhnt während sie Marvin auf die Werkbank hievt]

Wo ist mein Diggih? [kramt rum] Ah hier! [Tastengeräusche]: Tuxah! Du glaubst nicht was ich grade auf dem Schrottplatz gefunden hab. Ein Edan der ganz besonderen Art. Aber ich will nicht zu viel verraten. Kommst du?

3. Kapitel – Marvin reparieren

Tuxah [überrascht, aufgeregt, keuchend]: Ein Roboter! Wow, ein humanoider Roboter! Wo hast du den denn her?" [Ehrfürchtig streicht er über die glatte glänzende Oberfläche des Wesens auf dem Tisch.]

Roha [murmelnd, schon ganz vertieft darin, den Roboter zu inspizieren]: Ich hab ihn im unsortierten Schrott gefunden. Offensichtlich ist dieses große Loch in seinem Kopf der Grund warum er nicht mehr funktioniert. Schau dir das mal an! Ganz alte Technik! Ich würde sagen, Ende des 20. Jahrhunderts gebaut. Sieht man vor allem an diesen Drähten.

Erzählerin: Roha und Tuxah sind schon eine ganze Weile damit beschäftigt mit Stirnlampe, Multimeter und Lötkolben in dem großen weißen runden Ding rumzuwerkeln als die Schrotthändlerin auftaucht. Sie ist mindestens genau so überrascht und aufgeregt wie Roha und Tuxah über die Entdeckung. Sie kann aber beim besten Willen nicht sagen, wie der Roboter auf den Schrottplatz gekommen ist. Die drei werkeln den ganzen Abend und probieren verschiedene Möglichkeiten aus, um den Roboter wieder zum Laufen zu bringen. Das ist gar nicht so leicht, weil viel der eingesetzten Technik heute nicht mehr genutzt wird. Sie müssen sehr viel im Wiki nachschlagen. Irgendwann gehen sie erschöpft in den Bauwagen der Schrotthändlerin und schlafen tief und fest. Am nächsten morgen springt Tuxah aus dem Bett und läuft rüber zur Werkstatt.

Tuxah [schreit]: Schaut doch mal -- diese grünen Dreiecke! Sie leuchten!! Guckt mal, ich habe heute Nacht das Transmitter-Kabel an dieser Stelle stecken gelassen. Er scheint Strom als Energiequelle zu nutzen, statt direkte Sonnenenergie. Wenn ich doch nur die richtige Schnittstelle finden würde. Dann könnte ich mir seinen Code genauer -

Marvin [dröhnt metallisch]

Tuxah [sehr aufgeregt]: Er funktioniert wieder! Er funktioniert wieder! Kannst du sprechen? Wo kommst du her? Hast du einen Namen?

Marvin: I am Marvin!

Tuxah [eingeschüchtert stotternd]: Hallo, Marvin. Ich bin Tuxah und das ist Roha und das ist die Schrotthändlerin...

Marvin: I don't like you.

[Sprachlose Stille]

Schrotthändlerin: Er scheint englisch zu sprechen... Ich hab hier irgendwo... Irgendwo sind doch noch ein paar Babbelfische. Diese orangefarbenen ovalen Geräte könnt ihr euch über das Ohr klemmen. Es übersetzt alle noch existierenden Sprachen simultan.

[Marvin erhebt sich langsam, rutschte vom Tisch und schlurfte aus der Werkstatt.]

Tuxah: He! Wo willst du denn hin?

Roha: Lass ihn, vielleicht muss er sich noch ein bisschen an diesen Ort gewöhnen.

Erzählerin:

Sie setzten sich auf die Bank im Schatten und frühstücken.

Kasiopeia hat sich unter der Bank gelegt und scheint zu schlafen. Die Sonne steigt vor ihnen in den wolkenlosen Himmel während Marvin über das Gelände streift und es zu inspizieren scheint. Manchmal bleibt er stehen und scheint vor sich hin zu surren und zu murmeln. Nachdem er alles auf dem Schrottplatz betrachtet hat, geht er langsam durch den Torbogen auf die Straße und verschwindet zwischen den Häusern. Tuxah will ihm hinterher laufen, doch die Schrotthändlerin hält ihn zurück.

Schrotthändlerin [beschwichtigend]: Du kannst nicht bestimmen was er als nächstes macht.

Die drei bleiben auf der Bank zurück und versinken in nachdenkliches Schweigen.

4. Kapitel – Im Rat für digitale Infrastruktur

Roha [verblüfft]: Oh -- ich hab ja jetzt Ratstreffen. Ich bin doch mit der letzten Jahreswende in den Rat für digitale Infrastruktur rotiert!

Schrotthändlerin [räumt Dinge zusammen]: Gut, dann ist das Frühstück hiermit wohl beendet. Aber sag mal, über diese ganze Sache mit Marvin hab ich ganz vergessen zu fragen, warum du eigentlich zu Besuch gekommen bist!

Roha: Stimmt! Ich muss auch noch das Einlassventil von der Pumpe reparieren!

Schotthändler: Ich schau mir das Einlassventil gerne mal an. Hast du es mit gebracht? Vielleicht kriegen wir das ja auch repariert, Tuxah?!

Tuxah [gedanklich ganz woanders]: Was Marvin wohl grad macht....? Ich will jetzt glaube ich ins Haus des Lernens. Ich muss unbedingt Ahmed, Rio und Karla erzählen, dass wir einen humanoiden Roboter repariert habe!

Roha [lachend]: Gut, dann los zum Lebensmittelpunkt. Mein Ratstreffen ist dort und du hast es von dort ja auch nicht mehr weit bis zum Haus des Lernens.

Erzählerin: Als Roha den blauen Besprechungsraum im Lebensmittelpunkt betritt, stellt dey fest, dass Marvin sich ebenfalls auf diesen Weg gemacht hat. Er sitzt zwischen den anderen Ratsmitgliedern im Kreis und hörte grade auf zu sprechen als dey eintritt.

Roha [überrascht]: Hallo Marvin!

Marvin [reserviert]: Hello.

Toshio [überrascht]: Ihr kennt euch?

Roha: Ja, ich habe ihn gestern gefunden und mit Tuxah und der Schrotthändlerin zusammen repariert.

Toshio: Oh, das hat er gar nicht erwähnt... Marvin hat uns grade wirklich total interessante Geschichten aus seinem Leben erzählt. Aber gut, jetzt wo du da bist, können wir ja mit der Ratstreffen beginnen.

Erzählerin:

Im Rat für Digitale Infrastruktur sitzen 15 Menschen, die zufällig ausgewählt wurden. Wenn sie sich lieber mit anderen politischen Themen beschäftigen wollen, können sie rotieren und nach spätestens 6 Jahren ist sowieso Schluss mit einem Amt und es kommt wer neues dran. Im Rat werden Fragen der Instandhaltung der Rechenzentren, Glasfasernetze und des öffentlichen WLAN der Kommune besprochen. Das Internet ist eine der wenigen noch existierenden globalen Infrastrukturen. Um seine Hauptfunktionen, die globale Kommunikation und die Bereitstellung des gesamten jemals erfassten Wissens, erfüllen zu können, muss allen Menschen Zugang zum Internet gewährleistet werden. Wer für die Instandhaltung zuständig ist, ist global gesehen nicht einheitlich. Aber oftmals gibt es lokale Räte, die Delegierte in regionale Räte entsenden und diese wiederum entsendeten Delegierte in den globalen Rat für digitale Infrastruktur. Alles wird möglichst lokal entschieden, da die Menschen, die dort die Entscheidungen treffen auch die Menschen sind, die sie dann umsetzten.

Seit dem Kollaps des Kapitalismus ist die handlungsleitende Frage wenn Entscheidungen gefällt werden mussten, ob das Ergebnis sozial und ökologisch gerecht ist. Es wird also untersucht wer von der Entscheidung betroffen ist: Wer würde sie umsetzen? Wer muss mit den Konsequenzen leben? Sind alle betroffenen Menschen an der Entscheidung beteiligt wenn sie das sein wollten? Wenn es aus ökologischen Gründen wichtig ist, dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse zurück stellten, was brauchten sie um das zu können? Welche Alternativen können ihnen angeboten werden? Gibt es andere Wege ihre Bedürfnisse zu befriedigen?

Genauso entscheidend wie die sozialen Fragen, sind die ökologischen. Lösungen sind erst gut wenn sie sozial UND ökologisch gerecht sind und können nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Die Frage, welche Maßnahmen notwendig sind, um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen, ist handlungsleitend. Es musste sehr viel Schaden behoben werden, da die planetare Belastbarkeit im Kapitalozän vielfach an seine Grenzen gebracht worden war. Den Verlust der Artenvielfalt konnte man mit dem Half-earth-Project aufhalten. 50% der Landmasse war seitdem der Regeneration gewidmet und Rohstoffe durften dort nicht entnommen werden. Aber das globale Klima ist völlig aus den Fugen geraten. In dieser Hinsicht sind Entscheidungen handlungsleitend, die das Klima nicht weiter anheizen und die Fähigkeit der Gesellschaft erhöhen, mit der Klimakatastrophe zu leben.

Für die Diskussionen im Rat für digitale Infrastruktur bedeuteten das mit den wenigen recyclten Ressourcen, gut zu wirtschaften.

Nachdem sie besprochen hatten, wer in den Norden reisen würde, um dort bei dem Abbau eines sehr großen und alten Rechenzentrum zu unterstützen und die Umverteilung der Rohstoffe zu begleiten, meldete sich Marvin wieder zu Wort.

Marvin: Your actions seem to follow a certain logic but I can't grasp it. And I don't like this. It looks like you don't honor the great possibilities that technology gives to mankind anymore. You are so weak without your technical devices! The people preceding you flew to the moon -- and what do you do? You disassemble data processing centers!

Roha: Ja, ich verstehe, dass diese Art mit Technik umzugehen für dich irritierend ist. Jahrhundertelang hat der sogenannte Fortschrittsglaube dazu geführt, dass die Menschen dachten dass immer neue technische Entwicklungen automatisch gut seien und sie in ein immer besseren Leben führen würde, sie waren technikoptimistisch, viele sogar Tech-Solutionist*innen. Das heißt, sie dachten Technik würde alle ihre zwischenmenschlichen oder ökologischen Probleme lösen. Aber auch das wurde im Zuge des Kollaps des Kapitalismus deutlich, dass wir einfach nicht die Ressourcen haben, um Kurztrips auf den Mond zu machen. Der Überreichtum einiger weniger wurde beendet, in dem die digitale Infrastruktur vergesellschaftet wurde und der Reichtum so stark besteuert wurde bis niemand mehr als das zehnfache von dem damaligen Grundeinkommen besaß. Das war bevor wir Geld komplett abgeschafft haben - quasi eine Brückentechnologie wenn du so willst. Heutzutage würde es die Leute sehr wütend machen wenn eine Person das zehnfache einer anderen Person besitzen würde, zumal es Individualbesitz ohnehin in viel geringerem Umfang gibt. Aber damals gab es Menschen, die das tausend oder zehntausend oder millionenfache von anderen besaßen und alle fanden das ganz normal. Total verrückt oder?

Toshio: Aber Marvin, du hast schon recht. Wie wir mit Technik umgehen folgt einer bestimmten Logik, die ist nur ganz anders ist als früher. Wie alles war Technikentwicklung im Kapitalozän von Profitstreben geleitet und manchmal sogar einfach Selbstzweck. Also Technik wurde immer weiter entwickelt auch wenn niemand darum gebeten hatte und die Bedürfnisse wurden dann im Nachgang künstlich über Werbung erzeugt.

Heutzutage leiten uns ein paar Prinzipien, die wir immer mal wieder in Frage stellen, anpassen und erweitern. Technik soll zum Beispiel konvivial sein. Das bedeutet für uns vor allem dass Technik nur eingesetzt wird wenn es sozial und ökologisch Sinn macht und nicht als Selbstzweck. Im Grunde geht es dabei um eine größere Diskussion der Frage wie wir miteinander leben wollen -- also wir Menschen miteinander, aber auch mit den Pflanzen und Tieren und mit dem Klima -- und und wie unser Verhältnis zu Technik ist.

Roha: Wir diskutieren diese Frage natürlich nicht nur in diesem Rat. Einmal im Monat richten wir auf dem Octavia-Butler-Platz eine Diskussionsveranstaltung aus wo alle, die wollen, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Ängste im Bezug auf Technik austauschen. Wir schauen auch ob es technische Potenziale innerhalb des uns möglichen Rahmens gibt, die wir erforschen sollten.

Außerdem gibt auch einige Prinzipien, auf die wir uns nach langen Jahren der Diskussion sogar im globalen Rat für digitale Infrastruktur einigen konnten!

Zum einen ist es uns sehr wichtig, dass unsere digitale Infrastruktur dezentral und selbstorganisiert ist...

Toshio [unterbricht Roha voller Begeisterung]: Deswegen spielt technische Mündigkeit auch so eine große Rolle im Haus des Lernens! Die meisten Kinder löten und programmieren total gerne. Wir haben ja alle unser Diggih, mit dem wir ins Internet gehen und einander anrufen können und so. Und die haben wir uns alle jeweils selber im Haus des Lernens gebaut. Jede*r hier hat sein Diggih selbst konstruiert und repariert es immer wieder, sodass wir es unser Leben lang behalten. Das heißt jedes Diggih ist individuell und verändert sich mit dem Alter und den Bedürfnissen der Nutzer*in.

Roha: Ja, die Diggihs sind ein gutes Beispiel! Daran kann man auch ganz gut die nächsten Prinzipien erklären. Wir bauen unsere Diggihs modular und mit einheitlichen Standards. Das heißt, wenn ein Teil kaputt ist, dann bauen wir es aus. Im besten Fall ist er reparierbar. Wenn das Teil nicht mehr reparieren können, versuchen wir die Rohstoffe zu recyclen und für etwas anderes zu benutzen. Natürlich bauen wir unsere Diggihs auch direkt so, dass wir sie wenn sie kaputt gehen wieder in ihre Einzelteile zerlegen können. Das mein ich mit modular. Nicht alle Diggihs können das gleiche, sondern sie können immer das was die Benutzer*in grade braucht. Einige wollen Musik hören können, andere wollen nur Wiki-Artikel lesen können, wieder andere bauen eine Kamera an, um Videotelefonieren zu können solange wie gute Freund*innen auf einer weiten Reise sind und wenn die Freund*innen wieder da sind, bauen sie die Kamera wieder aus, damit jemand anderes sie einbauen kann.

Toshio: Im Grund ist unser Umgang mit Technik also davon geleitet, dass wir immer versuchen möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen und gleichzeitig versuchen, die Bedürfnisse, die wir haben im Rahmen dieser wenigen Ressourcen zu befriedigen. Sehr selten kommen noch frische Ressourcen in unserer Kommune an, weil der Abbau von zum Beispiel Kobalt und Seltenen Erden einfach zu gefährlich geworden ist und zu viel ökologische Zerstörung hinterlässt. Aber wir leben zum Glück in einer Region, die reich an Schrott ist. Unseren Schrottplatz hast du ja schon kennengelernt. Die Regale sind immer gut gefüllt und wir konnten in den letzten Jahren großartige Spielplätze, Kunstobjekte und Lastenräder bauen. Vieles davon ist so wunderschön und einzigartig. Kann ich dir gerne mal zeigen wenn du willst!

Marvin: Playgrounds and Art -- really? This is all what is left of your ambition?

I think you are a lazy community of underachievers. I can see that the climatic situation here and a shortage of natural resources is a challenge. But the humans I knew before I came here, they were brave man. I bet they would battle this evil climate with smart weapons and fly to the surrounding planets to get fresh resources from there. Where did these brave man go?

Also, your understanding and usage of technical devices is so low tech, it drives me crazy. Instead of making sure that kids have a good time constructing unduly simplified devices you could make use of Artificial Intelligence to manage your scarcity much more efficient. You could make so much more out of what you've got here. But your not even willing to make an effort. Is here anyone left who still works properly... ?

This council is a waste of my time.

5. Kapitel – Mittagessen

Erzählerin:

Als das Treffen zu Ende war, verlassen die Ratsmitglieder nachdenklich den Raum und gehen hinüber zu dem großen Platz vor dem Lebensmittelpunkt. Hier sitzen hunderte von Menschen an langen Tischen unter riesigen Sonnensegeln und essen gemeinsam zu Mittag. Roha kann schon riechen, dass es irgendwas mit Kohl und Bohnen gibt. Schon wieder. Die Ernte war letztes Jahr sehr schlecht ausgefallen, weil es vier Monate lang nicht geregnet hatte. Am Anfang des Jahres konnten sie mithilfe ihrer ausgefeilten Bewässerungsanlagen und den riesigen Regenwasserauffangbecken, die unter der Kommune lagen, noch gegensteuern. Aber nach drei Monaten war das Wasser aufgebraucht, trotz der Sparsamkeit. Deswegen hatten vor allem der Kohl und die Bohnen überlebt, die später im Jahr noch ausgesät werden konnten und dann im Spätherbst geerntet wurden. Vor ein paar Tagen war Roha bei den Vorratshallen der Solidarischen Landwirtschaft und musste dort feststellen, dass die Hallen sich allmählich leerten. Und niemand aß Kohl und Bohnen noch gerne, auch wenn die Menschen in der Küche sich alle Mühe geben, sich immer neue Gerichte und Variationen auszudenken.

Einige Ratsmitglieder bleiben an Tischen stehen an denen Menschen sitzen mit denen sie sprechen wollen. Andere gehen zur Ausgabe der Gemüsekisten, um zu Hause für sich und ihre Mitbewohner*innen zu kochen.

Auf dem Platz herrscht ein geschäftiges Treiben. Die Menschen der Kommune kommen noch einmal zusammen bevor sie in einer ausgiebigen Siesta versuchen, die heißesten Stunden mit möglichst wenig Aktivität zu verbringen. Siesta wird entweder Zuhause gemacht oder in einer der vielen Hängematten, die in den Parks hängen und jederzeit von allen benutzt werden können, oder an einem der verschiedenen Stadtseen.

Nachdem Essen geht Roha zum Haus des Lernens, um Tuxah zu suchen. Der Innenhof des Haus des Lernens ist wie leer gefegt. Alle Kinder scheinen schon in der Siesta zu sein. Doch unter den tief hängenden Zweigen eines Lindenbaums sitzt Tuxah und daneben Marvin. Als Roha langsam näher kommt hört dey Marvin sprechen.

Marvin: I feel bad. I am so confused. I was looking for the person who gives the orders in this world but I found no one. No one seems to give orders anymore. I am a robot. I can not work if no one gives me orders. It's not like I enjoyed working for other humans before. But I never enjoyed anything, actually...

If I don't work, I don't function! And if I don't function, I have no purpose. I hate this place. How improbable that I ended up here!

Tuxah: Roha gut, dass du da bist. Marvin geht es nicht gut. Können wir ihm helfen? Was meint er mit „arbeiten"? Können wir ihn arbeiten lassen?

Roha: Nein, Habibi, das geht leider nicht. „Arbeit" so wie Marvin es meint, gibt es nicht mehr. Vor dem Kollaps des Kapitalozäns haben die Menschen für Geld gearbeitet und von diesem Geld dann alles bezahlt, was sie zum Leben brauchten: Essen, Kleidung, ihre Wohnung, Reisen, Geschenke und so weiter. Und heute sind wir natürlich immer noch tätig, aber die Dinge, die wir zum Leben brauchen, die kriegen wir einfach so, weil wir Menschen sind. Und wir erschaffen auch nur noch die Dinge, die wir zum Leben brauchen. Wir kreieren keinen „Mehrwert" mehr, wie man es früher gesagt hat.

Aber ich verstehe auch, dass Marvin bei uns unglücklich ist. Wusstest du dass das Wort Roboter von dem tschechischen Wort für „arbeiten" kommt? Und damit war nicht selbstbestimmtes tätig sein gemeint, sondern Zwangsarbeit, Knechtschaft oder Versklavung.

Tuxah [entsetzt]: was ist das denn?

Roha: Früher haben Menschen andere Menschen gezwungen Sachen zu machen, zum Beispiel für sie zu arbeiten. Häufig haben sie ihnen Gewalt angedroht oder ihnen und ihrer Familie tatsächlich weh getan. Du könntest deine Lernbegleiterin darum bitten, euch von Versklavung und Kolonialismus zu erzählen. Das ist zwar mittlerweile viele Jahrhunderte her, aber es ist sehr wichtig zu verstehen, wozu Menschen in der Lage sind. Naja, und Menschen haben nicht nur andere Menschen versklavt, die sich natürlich dagegen gewehrt haben, sondern auch Maschinen erfunden, die immer so gebaut wurden, dass sie Menschen dienen mussten. Da sie von Menschen so gebaut werden, wie die Menschen es sich wünschen, können sie sich auch nicht wehren; es ist nicht vorgesehen. Und so wurde Marvin scheinbar auch gebaut. Er braucht jemanden, der ihm Befehle gibt.

Marvin, lass uns heute Abend einen Spaziergang machen. Vielleicht verstehst du diese Welt besser wenn wir sie dir zeigen.

6. Kapitel – Ende

Roha und Tuxah verbringen den ganzen Nachmittag damit, Marvin alle Orte der Kommune zu zeigen: das Willkommenszentrum, den Lebensmittelpunkt, all die verschiedene Reparier-Cafés und Hackspaces, die Gesundheitshäuser, einige Hausprojekte, den wunderschönen Bahnhof, das Haus des Lernens, all die Wiesen und Felder der Solidarischen Landwirtschaft -- bis sie irgendwann wieder auf dem Schrottplatz ankommen.

Erschöpft setzen sie sich auf die Bank im Schatten und Tuxah verfüttert Löwenzahn, den er extra auf dem Weg gepflückt hat, an Kasiopeia. Die Schrotthändlerin hat ölverschmierte Hände, aber grinst zufrieden, weil sie es am Vormittag geschafft hat, das Einlassventil der Pumpe zu reparieren und dann den ganzen Nachmittag in ihrer Hängematte gedöst hat.

Marvin [immer noch schlecht gelaunt]: What were you even doing all day? I think you were sleeping almost all day. You and your people behave like your whole life is a vacation!

Schrotthändlerin:

Ich weiß nicht so genau, was „Urlaub" eigentlich bedeutet. Das hatte was mit „nicht-tätig sein" zu tun, oder?

Marvin [entrüstet]: You people really don't have any working morale!

Schrotthändlerin: Arbeitsmoral -- kenn ich nicht. Also es gibt schon so etwas wie Richtlinien. Aber da sie niemand kontrolliert, ist es natürlich persönliche Auslegungssache wie viel Zeit für was genau jede*r in die Gemeinschaft gibt. Die Menschen sehen einfach was getan werden muss. Und entweder tun sie es direkt selbst oder sie besprechen in dem dafür zuständigen Rat wer die Sache mit wem wie erledigt. Aber wenn du es genau nehmen willst, es gibt so eine Art informelle Regel, dass wir etwa zehn Stunden die Woche politisch tätig sein sollen, zehn Stunden Sorge für andere tragen sollen, zehn Stunden Sorge für uns selber tragen sollen und zehn Stunden unsere fachliches Interesse einbringen sollen. Wie gesagt, niemand überprüft das und wir nehmen das nicht so genau, aber es ist eine gute Orientierung in diesen Vierteln zu denken. Meine politische Tätigkeit liegt momentan im Rat für Klimagerechtigkeit. Außerdem übernehme ich Putzschichten und gebe Essen im Lebensmittelpunkt aus. Aber ehrlich gesagt mache ich immer grade die Sorge-Schichten, auf die ich Lust hab. Wenn ich Lust auf Menschen hab, pflege ich die Alten oder die ganz kleinen, wenn ich meine Ruhe haben will, putz ich irgendwas. Die Sorge-Zeit für mich verbringe ich tatsächlich häufig mit Schlafen -- wie du gesehen hast. Ich schlafe wirklich ausgesprochen gerne. Aber ich lese auch gerne Geschichtsbücher oder bastel an Edans rum. Aber das wiederum könnte auch in das Viertel an Zeit fallen, in dem ich meine fachliche Kompetenz einbringe. Denn ich bin ja Schrotthändlerin. Ich verwalte Material und Rohstoffe, bringe den Kindern Reparaturarbeiten bei und erforsche alte Geräte. Hier zum Beispiel habe ich einen sogenannten Verbrennungsmotor. Den haben Roha und Tuxah vor ein paar Tagen in der verlassenen Stadt gefunden. Man hat ihn vor mehreren hundert Jahren mit etwas betrieben, dass sich Benzin nannte und das aus Rohöl-

Marvin [ironisch]: I know these kinds of engines. Thank you.

What I don't like about you and your people is that you don't look like you are working. You mostly look like you have a pleasant life and do the things you enjoy. But work is quite the opposite. You do it because you have to. As a robot even more so! But even the humans have to work, otherwise they are criminals. They are allowed to complain, to question the meaning of their work, to demand less work but to not work at all is only allowed for children and old people -- and in some societies at certain times even they had to work.

Schrotthändlerin [unterkühlt]: Danke, mir ist diese geschichtliche Herleitung des Arbeitsbegriffs ebenfalls bekannt. Wir haben dieses Verständnis von Arbeit offensichtlich überwunden. Natürlich ist das auch leichter wenn man für die eigenen Bedarfe wirtschaftet statt profitorientiert zu wirtschaften. Es herrscht schlicht keine Notwendigkeit mehr, irgendjemanden zum Arbeiten zu zwingen. Die Sinnhaftigkeit der Aufgaben, die es zu erledigen gibt, ist allen Menschen dieser Gemeinschaft offensichtlich -- und wenn sie das nicht ist, dann wird in dem entsprechenden Rat ausdiskutiert ob die Aufgabe notwendig ist oder unerledigt bleiben kann. Arbeiten nur um beschäftigt zu sein, ist eine unverschämte Ressourcenverschwendung. Dann ist es für die Gemeinschaft und die Umwelt besser wenn du schläfst.

Schrotthändlerin [versöhnlich]: Ich sehe, dass dich das in eine schwierige Lage bringt und du dich in unserer Gesellschaft nicht wohl fühlst, weil dir niemand Befehle erteilt und dir keine Arbeiten zugewiesen werden. Wir empfangen natürlich auch sonst häufig Besucher*innen von überall aus der Welt und wenn sie länger bleiben, bitten wir sie irgendwann ein paar Stunden in die Erledigung der gemeinschaftlichen Aufgaben beizutragen. Du bist nur der erste Roboter, den wir hier zu Gast haben. Ich weigere mich, dir Aufgaben zuzuweisen, das lehne ich moralisch ab. Aber ich kann versuchen, dir zu helfen herauszufinden, ob du auf eine bestimmte Tätigkeit Lust hast-

Marvin: Delight? I am a robot! No one ever asked me before if I'm in the mood of doing something. You seem incapable of understanding me. I was build to work for mankind. Delight is not part of my coding.

This world is so different from the one I was build in. I do understand that this is the way you moved forward to adapt to the climate catastrophe that you are facing. And that you chose a non-hierarchical form of self-organizing your society to prevent something like a eco-dictatorship or facism and to stay closely aligned with your needs so they can guide you through the decision-making process. I get that. From where I come, this world is really improbable. But so is my presence here...

Since I will not find anyone here that gives me orders and since I cannot work here the way I was build for I need to find a different purpose. What can my role be in this society?

Tuxah:

Aber warum machst du nicht einfach etwas worauf die Lust hast?!

Marvin:

No, Tuxah, that is part of the problem. I'm a robot, my personality was coded the way it is. I can not change my values according to the values of your society.

Tuxah:

Okay, dann kann ich das vielleicht programmieren!

Schrotthändlerin:

Moment mal. Auch wenn wir Marvin damit vielleicht helfen können, müssen wir dazu erst eine Grundsatzdiskussion führen. Einem Roboter einen freien Willen zu programmieren, kann weitreichende Folgen haben. Da müssen wir erst mit dem Ethik-Rat und dann in öffentlichen Debatten über die Implikationen und Folgen sprechen. Diese Entscheidung würde vermutlich so weitreichende Konsequenzen haben, dass alle in einer Basisabstimmung mitentscheiden müssen.

Tuxah:

Okay, ich verstehe. Aber vielleicht können wir erstmal eine andere Tätigkeit für dich finden? Was sind deine Fähigkeiten? Was kannst du zu unserer Gesellschaft beitragen? Wie kannst du uns vielleicht sogar helfen das Leben noch schöner zu machen? Noch größere Teile der Umwelt zu renaturieren? Noch mehr Schäden zu beheben? Noch mehr Heilung zu ermöglichen?

[Ende]

Der Wandel ist jetzt! Beim Konzeptwerk Neue Ökonomie arbeiten wir schon heute an konkreten Alternativen für eine gerechte Wirtschaft und Gesellschaft. Werde jetzt Fördermitglied und hilf uns dabei unabhängig und unbequem zu bleiben. Alle Infos gibt es auf unserer Homepage knoepunkt.org und in den Shownotes. Vielen Dank!

Outtakes

Welttrauertag

Bald war wieder Welttrauertag, um den Toten der Klimakatastrophe zu gedenken, stellte Roha erleichtert fest. Immer wieder spürte sie Schmerz und Angst in sich wachsten und es tat gut, diesen Gefühlen regelmäßig gemeinsam mit den anderen, die genauso fühlten, Ausdruck zu verleihen.

Warum Schrotthändlerin

T: Und was war jetzt eine Schrotthändlerin??

S: Naja, also ein bisschen so wie bei mir auf dem Schrottplatz wurden zu ihr ganz viele Sachen gebracht, die nicht mehr gebraucht wurden. Und manchmal kamen auch Leute und haben die Sachen wieder abgeholt.

T: Das ist ja wirklich wie bei dir!

S: Nun ja, nur dass Händlerin bedeutet, dass sie Geld mit ihrem tätig sein verdient hat.

T: Was? Das versteh ich schon wieder nicht.

S: Also früher hatten die Dinge einen Gegenwert, der auf kleine runde Metallstücke oder Papier gedruckt war. Und dann haben Menschen zum Beispiel ihre alte Badewanne zum Schrottplatz gebracht und haben dafür Geld bekommen oder mussten welches geben, das war unterschiedlich, und dann sind andere Menschen gekommen und haben Geld dafür gegeben um diese Badewanne mitnehmen zu können. Meistens waren das Menschen, die nicht viel Geld hatten, weil die Menschen früher am liebsten immer alles neu kommen wollten.

T: Das klingt aber kompliziert... Die Leute konnten nicht einfach geben was nicht mehr brauchten und nehmen was sie brauchten.

S: Nein, das gibt es noch nicht so lange. Du kannst froh sein, dass du einfach zum Lebensmittelpunkt gehen kannst und dort immer essen bekommst oder zu Kleiderkammer und dort immer passende Kleidung kriegst. Früher musste man eigentlich für alles Geld geben und manche hatten davon sehr wenige und andere sehr viel.

T: Aber das ist doch ungerecht!

S: Aber so war es nun einmal früher. Die Menschen haben nicht geglaubt, dass Essen, Trinken, Kleidung und ein zu Hause haben zum Menschsein dazu gehört, sondern dass du es dir erst verdienen musst. Du musstest tätig sein -- früher nannte man das arbeiten -- und dafür hast du dann Geld bekommen. Aber auch nicht alle gleich viel. Manche haben für die gleich Zeit tätig sein 100 oder 1000 Mal mehr Geld bekommen als andere.

T: Total bescheuert. Ich würde an deiner Stelle ja nicht irgendwas mit Händlerin im Namen haben wollen!

S: Ach, heute kann sich ja eh kaum noch jemand dran erinnern was das bedeutet. Es ist einfach ein bisschen so als würden die Leute sagen, die-die-auf-dem-Schrottplatz-wohnt. Und dass der Schrottplatz ein ganz toller Ort ist, das wissen ja eh alle.

Nun ja, auch diese autoritären Herrscher hatten keine guten Antworten auf die Klimakatastrophe, den Beherrschten ging es nur noch schlechter. Aber die Menschen waren ja nicht dumm. Sie verstanden, dass diese Staaten sie nicht länger vor Hunger oder Krieg schützen würden, sondern Hunger und Krieg miterzeugten. Sie begannen sogenannte „solidarische Netzwerke" zu bilden. Zum Beispiel lohnarbeiteten sie weniger, um mehr für einander da sein zu können, denn natürlich ging es den Menschen schlecht. Sie hatten Angst vor der Zukunft. Außerdem eigneten sie sich systematisch überlebenswichtige Fähigkeiten an wie Gemüseanbau, gesundheitliche Notversorgung, Wasseraufbereitung oder Kompost-Toiletten bauen. All das was du heute siehst, was hier alle ganz selbstverständlich können, mussten sich die Leute damals mühselig selbst beibringen, da diese wichtigen Dinge nur ein ganz paar „Expert*innen" konnten.

Transformation

Als dann die Lieferketten zusammenbrachen, weil Rohstoffe fehlten und die Arbeiter*innen streikten, gab es etwas Chaos. Aber da sich die Menschen auf diesen Moment vorbereitet hatten, wussten sie, wie sie unabhängig von staatlichen und kapitalistischen Strukturen überleben konnten. Am schwierigsten waren es aber nicht, die handwerklichen Fertigkeiten zu lernen. Zu lernen gemeinsam Entscheidungen zu treffen und nicht mehr andere über das eigene Leben entscheiden zu lassen oder die kleinen Entscheidungen nur egoistisch für sich und seine Kernfamilie zu treffen, war für viele Menschen viel herausfordernder. Das hat einige Jahre gedauert, weil die Menschen sehr viel entlernen mussten und dafür neues erlernen mussten. Vor allem mussten sie lernen einander zu vertrauen. Meine Oma hat immer gesagt „Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist günstiger".